Wann wird endlich in der Eisenbahnstraße gebaut?

Veröffentlicht am 27.10.2017 in Kommunalpolitik

Diese Frage hört man immer öfter von Bürgerinnen und Bürgern, die sich insbesondere den Drogeriemarkt aber vor allem die attraktive Entwicklung des Neuenhagener Zentrums mit einem Marktplatz wünschen.

Die Frage ist verständlich. Schließlich gibt es seit langem einen Grundsatzbeschluss zu diesem Projekt, der auf Initiative des fraktionsübergreifenden Frauenquartetts in Zusammenarbeit mit der Bauamtsleiterin Frau Meyer-Klepsch zu Stande kam.

Trotzdem gibt es bei der Umsetzung immer wieder Versuche, das Projekt zum Scheitern zu bringen oder Bedenken, die zu zeitlichen Verzögerungen führen.

So konnte in der letzten Sitzung der Gemeindevertretung mit viel Mühe eine Initiative der „Parteilosen“ abgewehrt werden, die die Wasserprobleme bei Starkregen zum Vorwand nahmen, um einen Planungsstopp für die Eisenbahnstraße zu fordern.

Aber auch beim Verkauf des Grundstückes an den Investor, einer Grundvoraussetzung für den Baubeginn, gibt es Probleme, die zu einer Verschiebung der Vorlage führten. Dabei ist ein Grundstücksverkauf durch die Gemeinde eine einfache und klar geregelte Sache. Ein unabhängiger Gutachter stellt den Wert des Grundstückes fest, zu dem es verkauft werden soll.

Um zu verstehen, warum das diesmal nicht so einfach geklappt hat, dokumentieren wir in der Anlage eine große Anfrage von zwei Gemeindevertretern und die Antwort des Bürgermeisters.

Der Bürgermeister

 

Anfragen zur Gemeindevertretersitzung am 12.10.2017 zum Grundstück B-Plangebiet Eisenbahnstraße I

 

Sehr geehrte Frau Fritzsche-Schnick,

sehr geehrter Herr Kindervater,

 

Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

 

Einige Ausführungen zum kommunalen Grundstücksverkehr

 

1. Warum soll bei einem ermittelten Bodenwert von 150 EUR pro m² ein Verkaufspreis von nur 104,50 EUR verlangt werden? Handelt es sich bei der beabsichtigten Veräußerung des Grundstücks in der Eisenbahnstraße um einen politisch motivierten Unterwert-Verkauf?

 

Antwort:

Ein „Unterwert-Verkauf“ ist gemäß § 79 Abs. 3 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg nur mit Genehmigung der Kommunalaufsicht zulässig. Die bisherigen Verkäufe kommunaler Grundstücke sind stets zum vollen Wert erfolgt.

Bei dem Verkaufspreis für die Eisenbahnstraße handelt es sich um den gutachterlich ermittelten Verkehrswert zum Bewertungsstichtag 01.06.2017 in Höhe von 516.000 EUR. Zur Durchführung des Interessenbekundungsverfahrens für die Flächen an der Eisenbahnstraße liegt ein weiteres Verkehrswertgutachten zum Bewertungsstichtag 16.12.2013 vor. Der Verkehrswert lag zu diesem Zeitpunkt noch bei 263.000 EUR unter Berücksichtigung der Restwerte und Abrisskosten für die Gebäude.

 

2. Wie subsumiert die Verwaltung Rohbauland (s. o.) im Zusammenhang auf den geplanten Grundstücksverkauf in der Eisenbahnstraße?

 

Antwort:

Die Verwaltung beauftragt zur Ermittlung des Verkehrswertes ein Sachverständigengutachten. Die Bewertung erfolgte 2013 und 2017 durch zwei voneinander unabhängige öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige nach Immobilienwertermittlungsverordnung. Jeder Schritt bei der Bewertung wird entsprechende begründet. Die Einschätzung als „Rohbauland“ wurde in beiden Wertgutachten entsprechend des Planungsstandes begründet.

 

Zunächst wird davon ausgegangen, dass es sich die Fläche nach § 34 BauGB für eine Bebauung bestimmt ist. In der dabei heranzuziehenden Umgebungsbebauung sind u. a. mehrere Wohn- und Geschäftshäuser mit einer Grundfläche von 400 bis 500 m² (GRZ 0,4) und drei bis vier Vollgeschossen vorhanden (Bsp. Sparkasse, KIK, Geyer- und Fichteeck).

Ab einer Flächengröße von ca. 5.000 m² geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass es sich um eine so große Baulücke handelt, die dringend städtebaulich zu ordnen ist (Planungserfordernis nach § 1 Abs. 3 Baugesetzbuch).

Insbesondere wird das Planungserfordernis noch dadurch konkretisiert, dass die Gemeinde einen Bebauungsplan zur Steuerung des Einzelhandels auf Grundlage eines Einzelhandelskonzepts beschlossen hat. Die Gemeinde hat diesem Planungserfordernis bereits seit 2006 durch entsprechende Beschlussfassung zur Aufstellung eines Bebauungsplans Rechnung getragen. Folglich ist das Grundstück nicht als baureifes Land zu qualifizieren. Die von der Gemeindevertretung gewünschte Bebauung ist mit dem vorhandenen Baurecht nicht auf dem Grundstück umzusetzen.

3. Wie ist der Öffentlichkeit Neuenhagens zu vermitteln, dass für eine renditeträchtige Immobilie wie in der Eisenbahnstraße, d. h. in zentraler Lage mit sehr guter Verkehrsanbindung nur die Hälfte des derzeit für Neuenhagen online ausgewiesenen Durchschnittspreises pro m² verlangt wird?

 

Antwort:

Zunächst handelt es sich bei den öffentlich diskutierten Grundstückspreisen um die auf dem privaten

Grundstücksmarkt erzielten Verkaufspreise für Wohnbaugrundstücke zur Bebauung mit Einfamilienhäusern in einer durchschnittlichen Größe und Lage. Diese Preise treffen für dieses Grundstück wie auch für andere vergleichbare Grundstücke, für die ein Bebauungsplan erforderlich ist, nicht zu.

In dem aktuellen Sachverständigengutachten wurden die Preise für 34 vergleichbare Verkaufsfälle von unbebauten Grundstücken im Berliner Umland für die Ermittlung des Verkehrswertes herangezogen. Dabei wurden Preise in Höhe von durchschnittlich 71 Prozent der Bodenrichtwerte für baureifes Land erzielt. Dieser Wert wurde zur Kaufpreisermittlung als sogenannter relativer Bodenwert herangezogen.

 

4. Welche kaufpreismindernden Investorenleistungen wurden erbracht und hatte dies Auswirkungen auf den seitens der Verwaltung geforderten Kaufpreis? Warum hat die Verwaltung keinen höheren Preis gefordert?

 

Antwort:

Der Kaufpreis wurde nicht gemindert. Es handelt sich um den Verkehrswert für das Grundstück ohne gültigen Bebauungsplan. Dies führt zur Einstufung als sogenanntes Rohbauland. Es wird das Grundstück wie es steht und liegt bewertet. Die Kosten des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans spielen keine Rolle.

Im Vergleich zu dem Wertgutachten aus 2013 wurde jetzt ein vollständig beräumtes, altlasten- und abgabefreies Grundstück bewertet.

Die Verwaltung hat wie in jedem anderen Verkaufsfall bisher auch eine Beschlussvorlage mit dem Verkehrswert gemäß Sachverständigengutachtens vorgelegt.

 

5. Wurden „besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale“ zur Bildung „marktgerechter Abschläge“ im Sinne von § 8 Abs. 3 Immobilienwertermittlungsverordnung ermittelt? Wenn ja, in welchen Umfang haben diese den Kaufpreis ggü. dem ermittelten Bodenrichtwert gemindert bzw. von wem ging die Initiative zur Minderung aus?

 

Antwort:

Der unbelastete relative Bodenrichtwert wurde um den Wert für drei bestehende Grunddienstbarkeiten sowie notwendige Sicherungsmaßnahmen zu der Bahnanlage in Höhe von 9.380 EUR gemindert. Die Verwaltung übergibt mit dem Bewertungsauftrag einen aktuellen Grundbuchauszug. Die Bewertung der Grunddienstbarkeiten erfolgt ausschließlich durch den Sachverständigen.

 

6. Welche Begründung gemäß § 8 Immobilienwertermittlungsverordnung gibt es für das gewählte Verfahren der Verkehrswertermittlung, d. h. dafür, dass nur der Bodenwert, nicht aber Vergleichs- und Ertragswerte herangezogen wurde?

 

Antwort:

Die Ermittlung des Marktwertes für ein Grundstück erfolgt auch bei bebauten Grundstücken getrennt nach Bodenwert und dem Wert für Gebäude und Außenanlagen. Es handelt sich hier um ein unbebautes Grundstück, für das der Bodenrichtwert i. d. R. auf Grundlage von Verkaufspreisen ermittelt wird. Die Wahl des Verfahrens wurde im Gutachten begründet.

7. Welche m²-Preise könnten für das Grundstück mit dem seitens der Gemeinde zu schaffenden Baurecht zu Grunde gelegt werden bzw. welche konkrete Wertsteigerung erfährt das Grundstück durch das beabsichtigte Baurecht?

 

Antwort:

Die konkrete Wertermittlung kann nur durch einen Sachverständigen erfolgen zu einem konkreten Bewertungsstichtag erfolgen. Dazu wird dann wiederum auf der Grundlage von Verkaufspreisen für vergleichbare Verkaufsfälle ein entsprechender Bodenwert ermittelt.

 

8. Welche konkreten juristischen Einwände einschließlich aktueller Gerichtsurteile stehen einer Abschöpfung der Wertsteigerung bei der Kaufpreisbildung durch die Gemeinde entgegen?

 

Antwort:

Der Gemeinde sind in finanzieller Hinsicht durch das Baugesetzbuch enge Grenzen gesetzt, wenn sie mit einem Vorhabenträger Bauland entwickelt. Grundsätzlich gibt es verschiedene Strategien zur Entwicklung von Bauland. Im konkreten Fall war zunächst vorgesehen, das Grundstück mit einer Bauverpflichtung zur Umsetzung des Rahmenplans als Ergebnis des umfangreichen Bürgerbeteiligungsverfahrens die Fläche im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens zu verkaufen und zu entwickeln. Das Vorhaben scheiterte. Die alternativ von Interessenten eingereichten Bebauungsvorschläge fanden keine Zustimmung.

Sodann hat die Gemeindevertretung entschieden, die Baulandentwicklung als vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit einem benannten Vorhabenträger vorzunehmen. Dazu wurden konkrete Vorgaben gemacht und der Vorhabenträger hat parallel ein Objekt geplant, das die Vorgaben erfüllt. Es handelt sich hierbei um eine kooperative Entwicklungsstrategie. Der Vorhabenträger berücksichtigt die Belange der Gemeinde, die er unter wirtschaftlichen Aspekten ggf. nicht umsetzen würde. Dazu gehören der Marktplatz, die Stellplatzanordnung hinter dem Gebäude, die Festschreibung von mindestens 4 kleinen Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss, Gestaltungsvorgaben zur Hauptstraße und zum Marktplatz, die Geschossigkeit, die Nichtnutzung des dritten Vollgeschosses im Gebäudeteil zum Marktplatz sowie zuletzt höhere technische Anforderungen an die Entwässerungsanlagen als es die anerkannten Regeln der Technik erfordern. Die Kosten des Bebauungsplanverfahrens sowie die Erschließungskosten trägt der Vorhabenträger. Im Gegensatz zu einem „normalen“ Bebauungsplan wird hier sehr detailliert vereinbart, was gebaut wird. Die Gemeinde verfolgt damit die bereits genannten städtebaulichen Ziele.

Mit dem Durchführungsvertrag einschließlich Umsetzungsfrist zu dem Vorhaben- und Erschließungsplan, wird die Erfüllung der kommunalen Vorgaben gesichert. Der Vorhabenbezogene Bebauungsplan bietet dadurch eine präzisere planerische Steuerung.

Bei beiden Modellen der kooperativen Baulandentwicklung auf Kosten von Vorhabenträgern ist es nicht zulässig, den durch das Bebauungsplanverfahren entstehenden Planungsvorteil abzuschöpfen. Die auf die Bauleitplanung zurückzuführenden Änderungen des Verkehrswertes eines Grundstücks können nicht Gegenstand eines Wertausgleichs sein. Die Gemeinde hat neben der Verwirklichung der Städtebaulichen Ziele vor allem den Vorteil, kein wirtschaftliches Risiko einzugehen. Ein

Die Wahl des Modells zur Baulandentwicklung führt zu der jeweiligen Kostenfolge. Alternativ hätte die Gemeinde selbst im Rahmen einer hoheitlichen Baulandentwicklung einen Bebauungsplan mit allen notwendigen Festsetzungen zur Umsetzung der städtebaulichen Ziele auf eigene Kosten aufstellen können. Zur Sicherung der Städtebaulichen Ziele könnte das Grundstück dann mit einer Bauverpflichtung im Wege einer öffentlichen Ausschreibung verkauft werden.

Aufgrund der kurzen Bearbeitungsfrist verweise ich allgemein auf das Praxishandbuch Städtebauliche Verträge des vhw Verlags sowie eine Veranstaltung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung am 13.01.2016 mit den wachsenden Kommunen im Berliner Umland Schwerpunktthema

Baulandstrategien und soziale Infrastruktur und der Vorstellung verschiedener Baulandmodelle. .

 

 

9. Welche ortsentwicklungspolitischen Vorteile stehen einem Verzicht auf einen höheren Kaufpreis (i. H. d. m²Preises einer Mischfläche für Einzelhandel und Wohnungen) gegenüber?

 

Antwort:

Die Frage wurde bereits im Zusammenhang mit Frage 8 beantwortet.

 

10. Welche Grundstücke wurden seit den letzten Bürgermeisterwahlen verkauft? Welche Kaufpreise (Beträge) wurden hier vereinnahmt und in welchen Fällen wurde hier nach oben oder unten von den ermittelten Verkehrswerten abgewichen (bitte in Tabellenform beantworten)? Welcher Entwicklungsstand der Grundstücke nach Immobilienwertermittlungsverordnung wurde dabei jeweils zu Grunde gelegt.

 

Antwort:

Die angeforderte Tabelle ist innerhalb der kurzen Frist für die Anfrage nicht zusammenzustellen. Grundsätzlich liegen Ihnen die Angaben bereits in den einzelnen Beschlussvorlagen vor. Die

Grundstücksverkäufe wurden je nach Wertumfang durch den Hauptausschuss bzw. die Gemeindevertretung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen. Mit Zustimmung des Vorhabenträgers ist dieser Verkauf der einzige Fall, der überhaupt öffentlich behandelt wird.

Allgemein kann aber hier festgestellt werden, dass die Grundstücksverkäufe immer zu dem am Bewertungsstichtag ermittelten Verkehrswert (Marktwert) veräußert wurden. Ein Verkauf unter oder über Verkehrswert hat nicht stattgefunden.

 

Sehr geehrte Frau Fritzsche-Schnick, sehr geehrter Herr Kindervater,

die Verwaltung ist selbstverständlich bemüht, Ihnen bei der öffentlichen Debatte für dieses wichtige Projekt zur Stärkung des Einzelhandels im Zentrum zur Seite zu stehen und die Sachverhalte sowie offene Fragen umfassend zu erläutern. Es kann jedoch von mir nicht hingenommen werden, dass durch eine suggestive Fragestellung der Eindruck vermittelt wird, in der Gemeinde Neuenhagen würden Grundstücksverkäufe nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden. Die Verwaltung steht Ihnen gern für weitere Fragen in diesem Zusammenhang zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Jürgen Henze

Bürgermeister